Digitalisierung, digitale Transformation, digitaler Wandel – es gibt viele Begrifflichkeiten um den Vorgang der Veränderung zu beschreiben. Noch mehr Bezeichnungen gibt es wahrscheinlich dafür, wie man dem Wandel entgegnen beziehungsweise Prozesse darauf anpassen muss. Eines steht auf jeden Fall fest: Die zunehmende Einbindung von neuen Technologien führt zu einer Neuorientierung von bestehenden Geschäftsmodellen und auch zu einer Weiterentwicklung in der Baubranche. Dessen ist sich auch Peter Leipold, Fachgebietsleiter für Neue Medien und Datenservice bei Kermi, bewusst. Als einer der Experten für digitale Entwicklungen in der Branche hat er mir im Gespräch einige Fragen zum Thema beantwortet.
Neben Architekten, Ingenieuren, Planern und Handwerkern befindet sich auch die Sanitär- und Heizungsbranche in einem Umbruch. Bauwerke werden immer komplexer und der Bedarf an Produktdaten steigt stetig. Diese Situation habe ich mir zum Anlass genommen, den Digitalisierungsprozess für die SHK-Branche in diesem Blogbeitrag genauer zu betrachten. Neben den vielen geschaffenen neuen Möglichkeiten ist besonders ein Begriff aus der Sanitär- und Heizungsbranche nicht mehr wegzudenken – „Building Information Modeling“ oder auch kurz „BIM.“ Dieser beschreibt eine Art Methode oder auch Verfahren, welche die Zusammenarbeit verschiedener Akteure der Baubranche vereinfachen soll. Nachfolgend eine kurze Erklärung dazu:
Building Information Modeling beschreibt einen Prozess, verschiedenste Daten eines Bauprojektes miteinander zu verbinden. Das heißt, wir sprechen hier nicht von einem einzigen Programm, sondern vielmehr von der Verknüpfung mehrerer Programme und Abläufe. In einem BIM-Prozess werden alle, mit einem Gebäude in Verbindung stehenden, Daten erfasst und miteinander vereint. Ziel ist es, durch eine gemeinsame Datenbasis, die Zusammenarbeit innerhalb eines Bauprojektes zu verbessern und zu optimieren.
Herr Leipold, warum müssen wir uns in der Branche umorientieren und auf neue Entwicklungen, wie „BIM“ einstellen? Es ist doch alles gut so wie es ist oder?
Peter Leipold: Natürlich. Die Branche konnte in den vergangenen Jahren mit bisherigen Methoden gute Ergebnisse erzielen, dennoch macht auch die Digitalisierung vor uns nicht halt. Mit vielen neuen technologischen Möglichkeiten werden auch Bauwerke stetig komplexer und umfangreicher. Hier müssen wir auch in der Zukunft vorbereitet sein. Optimierungspotenziale müssen genutzt werden, um weiterhin wirtschaftlich arbeiten zu können.
Welche Vorteile wird an dieser Stelle das Building Information Modeling mit sich bringen?
Peter Leipold: Da gibt es einige. Heute ist es so, dass häufig jedes Gewerk für sich projektiert und Daten sammelt. Das ist auch gut so. In der Zusammenarbeit bleiben jedoch viele Synergien ungenutzt, da die IT-Werkzeuge noch nicht durchgängig aufeinander abgestimmt sind. Dadurch gehen viele relevante Informationen verloren. Ein funktionierender BIM-Prozess ermöglicht hier eine effektive Zusammenarbeit aller Beteiligten eines Bauprojektes.
„Es wächst also zusammen, was zusammen gehört.“
Daten müssen nur einmalig angelegt werden, was natürlich neben einer großen Arbeitsersparnis für beispielsweise Architekten, Planer und Handwerker, auch eine zuverlässige Fehlervermeidung bedeutet. Dadurch lässt sich genauer planen, sowie Zeit und Kosten minimieren. Erste Projekterfahrungen sollen Einsparungen von 10% – 20% der Baukosten ermöglicht haben. Dies motiviert natürlich den Bauherren, in Zukunft auch „BIM“ einzufordern.
Wenn wir von einer verbesserten Zusammenarbeit sprechen, wie kann man sich dann einen Informationsaustausch zwischen den einzelnen Interessensgruppen eines Projektes mit dem BIM-Modell vorstellen Herr Leipold?
Peter Leipold: Wir reden hier von einer Vielzahl von IT-Systemen, die miteinander kommunizieren müssen. Man kann sich dies wie das „Sender-Empfänger-Modell“ vorstellen. Sender und Empfänger müssen gesendete sowie empfangende Informationen verstehen beziehungsweise entschlüsseln können. Durch eine Schnittstelle können so beispielsweise 3D-Geometrien oder Produktdaten (Maße, technische Eigenschaften, projektierungsrelevante Informationen, FM-Daten etc.) den jeweilig relevanten Partnern zur Verfügung gestellt werden.
Gibt es noch technische Hürden, die diesem Prozess im Wege stehen oder können wir Morgen schon damit starten?
Peter Leipold: Ja die gibt es. Laut verschiedenen Fachmagazinen ist der Begriff „BIM“ mittlerweile jedem Dritten der SHK-Branche ein Begriff. Trotzdem stehen noch viele Herausforderungen und Aufklärungsarbeit vor uns. Relevante CAD-Geometrien und Produktmerkmale sind noch nicht in der benötigten Tiefe vorhanden und auch Schnittstellenprobleme bei Software und IT-Systemen werden uns noch einige Zeit beschäftigen. Dennoch bin ich sehr zuversichtlich, dass wir die Chance der Digitalisierung in der Baubranche nutzen werden. Auch wird die Praxis zeigen, an welchen Stellen es zu optimieren gilt.
Mit wem arbeitet die Kermi GmbH zusammen, um die Weiterentwicklung in der Branche voran zu treiben?
Peter Leipold: Wir als Unternehmen stehen mit verschiedensten Organisationen in Kontakt, um die SHK-Produkte möglichst schnell „BIM-fähig“ zu machen. Als Person bin ich Sprecher im Arbeitskreis BIM der ARGE NEUE MEDIEN, Mitglied im BDH Arbeitskreis Digitale Daten, sowie im VDI 3805/ISO 16757 Richtlinienausschuss, in welchem verschiedene Experten der Sanitär- und Heizungsindustrie sowie Verbänden vertreten sind. In diesen Gremien werden die Erfahrungen aus den einzelnen Unternehmen diskutiert und sehr intensiv an einer Branchenlösung zur Bereitstellung BIM-relevanter Daten für die TGA-Planung und der IT-Systeme gearbeitet.

Wie sieht die Branche der Digitalisierung entgegen? Sind wir wirklich vorbereitet oder haben wir noch einige „Hausaufgaben“ zu erledigen?
Peter Leipold: Die Branche ist sich der Notwendigkeit einer Weiterentwicklung durchaus bewusst. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sind und waren gewisse Änderungen schon immer notwendig. Das wird sich auch in der Zukunft nicht ändern. Ich bin mir sicher, dass wir der Digitalisierung nicht nur positiv entgegnen sollten, sondern auch müssen. Neben vielen Veränderungen und neuen technologischen Möglichkeiten werden auch BIM-Kompetenzen in naher Zukunft eine große Rolle auf dem Markt spielen. Der digitale Wandel ist Chance und Pflicht zugleich, für jeden von uns. Sowohl für TGA-Planer, Architekten, den Handwerker von nebenan, als auch für Handel und Industrie.